Guy HELMINGER

Wat oder wien huet Iech op d’Iddi bruecht fir Bicher ze schreiwen? Wéi al waart Dir dunn?
Ich hatte 17 Jahre und im Gymnasium behandelten wir Gedichte von Gottfried Benn. Die fand ich so fantastisch, dass ich am selben Tag angefangen habe, Gedichte im Benn-Stil zu schreiben. Ich hatte vorher nicht begriffen, was man mit Sprache machen kann, welche Schönheit darin liegen kann.
Wéi kritt Dir Är Iddie fir Bicher ze schreiwen? Wat inspiréiert Iech?
Ich klaue, wo ich kann. Ich klaue vom Leben. Ich beobachte und verwerte dann Gesten, Mimik usw. für die Figuren. Ich notiere mir, wie Menschen agieren, sich in bestimmten Situationen benehmen. Die Themen sind identisch mit dem, was mich gerade interessiert. Beispielsweise fasziniert es mich, was in Menschen vorgeht, was sie aber nicht zeigen wollen oder verbal äußern. Beispielsweise Ängste oder Gewalt oder auch Liebe, die man nicht aussprechen will. Ich frage mich dann, wie äußern sich diese Phänomene in der Gestik, im Verhalten. Und wo kippt der Schutzwall, den Menschen um sich aufbauen.
Wéi ent vun Äre Bicher ass Ärt Liblingsbuch? Firwat?
Mir gefällt meist das am besten, das ich zuletzt geschrieben habe. Weil es am nächsten an dem dran ist, was ich gerade fühle, was mir ein wichtiges Thema zu sein scheint.
Wéi ee vun all Äere Charakteren ass Iech am änlechsten a firwat?
Sie haben alle etwas von mir. Ich gehe immer von mir aus und transferiere alles auf eine Figur. Zum Beispiel: ich will eine Figur beschreiben, die wütend ist. Dann überlege ich, wie ich bin, wenn ich wütend bin, was sage ich, was tue ich, schreie ich? Wenn meine Figur nun aber eine Frau ist und sehr leicht und aus einem anderen sozialen Kontext kommt, dann verändere ich das, was ich an mir beobachtet habe, so, dass es zu ihr, zu der Frauenfigur, passt.
Wat gefält Iech am beschten um Schreiwen?
Wenn ich etwas beendet habe und ich sagen kann, es ist vollbracht. Das ist ein seltenes Glücksgefühl.
Iwwert wéi en Thema schreift Dir am léifsten?
Da habe ich keine Präferenzen, aber am öftesten schreibe ich über das, was in Menschen vorgeht und was sie nicht zeigen wollen.
A wéi enger Sproch schreift Dir am meeschten?
Deutsch, Ausnahme: ein paar Theaterstücke auf Luxemburgisch
Wou ass Är Liblingsplaz fir ze schreiwen a fir nozedenken?
Zuhause. Ich brauche Ruhe, um zu arbeiten. Ich schließe sogar die Jalousie vor dem Fenster am Schreibtisch, damit ich nicht rausschaue.
Wien wëllt Dir mat Äre Bicher erreechen?
Niemand Bestimmtes.
A wat fir enge Fächer muss ee gutt sinn, fir Schrëftsteller ze ginn?
Sehr lustige Frage!! In keinem Schulfach. Man muss gut beobachten, alles ist erst einmal wichtig. Aber beim Schreiben muss man aussortieren können. Und niemand wird ein guter Schriftsteller, wenn er nicht liest. Lesen ist die Schule des Autors.
Huet Iech schonn e Member vun Ärer Famill fir ee Buch inspiréiert?
Meine Figuren tragen auch Züge meiner Frau, meiner Kinder, meiner Geschwister, Eltern, Freunde. Wie gesagt, ich beobachte, ich klaue, wo ich kann. Aber auch da, verarbeite ich alles. In einer Vorlesung habe ich mal gesagt: „Ich schreibe so lange über mich, bis von mir nichts übrigbleibt.“ Das Gleiche gilt für mein Umfeld.
Wéi denkt Är Famill iwwert Är Bicher? Wat sinn hir Liblingsbicher?
Keine Ahnung.
Hutt Dir schonn eng Iddi fir Ärt nächst Buch?
Im März wird mein neues Theaterstück aufgeführt werden. Darin geht es um das Identitätsdenken.
Wat ass Är Meenung zu digitale Bicher (Kindle asw.)?
Wer Texte digital lesen möchte, soll das tun. Ich verstehe auch Menschen, die keine 5 Bücher mit in Urlaub nehmen, sondern eben einen Kindle. Aber ich selbst besitze keinen. Ich möchte das Buch in Händen halten. Mein Arbeitszimmer steht voll davon und so fühle ich mich wohl.
Wéi fannt Dir d’Jugend vun haut?
Die Frage ist mir zu pauschal. Ich bin sicher, selbst in eurer Klasse seid ihr total unterschiedlich, denkt verschieden, hört andere Musik als der Nachbar. Die Frage kann und will ich pauschal nicht beantworten.
Avez-vous souvent le syndrome de la page blanche? Si oui, comment y remédier?
Nein, nie. Ich halte die Angst vor dem weißen Blatt für eine Erfindung der Schriftsteller, um sich interessant zu machen. Natürlich gibt es Tage, an denen es besser läuft als an anderen. Aber das ist bei allen Menschen so. Und ich habe nie ein weißes Blatt. Ich schreibe ja immer, nicht nur am Schreibtisch, ich mache mir Notizen. Und wenn ich ein Buch beendet habe, schaue ich mir diesen Wust an Notizen an und wähle eine der Ideen aus für das nächste Buch. Es ist also mehr da, als ich je verwerten kann. Es gibt kein weißes Blatt.
Est-ce difficile de se faire connaître dans d’autres pays?
Ja, das ist sehr schwer. Normalerweise werden die Bücher übersetzt, die sich im Herkunftsland gut verkaufen. In Luxemburg sind die Verkaufszahlen aber so gering, dass niemand im Ausland an eine Übersetzung denkt. Es gibt natürlich Ausnahmen. Aber im Großen und Ganzen ist es schwer im Ausland Fuß zu fassen. Mir ist das in Deutschland einigermaßen gelungen, weil ich Deutsch schreibe und dort publiziert habe. Aber allein in Deutschland werden jedes Jahr 100.000 Bücher publiziert. Wer soll das lesen ? Da wartet niemand auf jemanden aus Luxemburg oder sonst wo. Ist also nicht leicht. Da muss man aktiv darauf hinarbeiten.
Connaissez-vous la fin de l’histoire quand vous commencez à l’écrire?
Ja. Ich mache eine Vorarbeit, die darin besteht, mir zu überlegen, was in jedem Kapitel passiert. Das benutze ich als Skelett, um das Buch zu erschaffen
Ecrivez-vous par rapport à votre vécu ou par pure imagination?
Ich schreibe vom Leben ab. Siehe oben.
Avez-vous des livres que vous gardez pour vous sans les montrer à personne?
Nein.
Haben sie je ein Buchprojekt aufgegeben, weil Sie keine Ideen mehr hatten oder nicht mehr weiterwussten?
Nein. Aber ich lasse meine Manuskripte 6 Monate bis ein Jahr liegen, bevor ich sie nochmal lese und korrigiere. Da ist es schon passiert, dass mir das Geschriebene missfallen hat. Und dieses Manuskript liegt bis heute in der Schublade. Vielleicht überarbeite ich es mal, vielleicht auch nicht.
Haben Sie noch einen anderen Beruf? Wenn ja, welchen? Ist es schwierig, zwischen zwei Berufen zu balancieren?
Nein. Ich lebe von Literatur. Hat aber gute 20 Jahre gedauert, bis ich das konnte. Vorher hatte ich viele Jobs: Kellner in einer Punkkneipe, Bauarbeiter, Regieassistent, 3D-Grafiker…
Gibt es eine „Message“, die Sie Ihrem Publikum mit Ihren Büchern vermitteln wollen?
Nein. Für mich ist jedes Buch eine Debatte, eine Diskussion. Wer will steigt ein, indem er liest und sich verschiedene Sichtweisen anhört. Ich hoffe, dass nach so einer Diskussion (Lektüre) der Lesende vielleicht eine neue Sicht auf gewisse Dinge zusätzlich hat.
Gibt es eine bestimmte Zeit in der Woche oder am Tag zu der Sie schreiben oder schreiben Sie immer spontan?
Spontan schreiben? Das kann man machen, solange man es nicht professionell betreibt. Schreiben ist ein Beamtenjob. Morgens ab 8 Uhr sitze ich am Schreibtisch und arbeite, solange es geht. Dann beantworte ich Mails etc. Abends Lesung. Oder ich bin unterwegs auf einem Festival usw. Wenn man ein Buch von, sagen wir 300 Seiten, schreibt, dann braucht es Selbstdisziplin, sonst kann das nichts werden.
Haben Sie schon einmal bereut, ein Buch veröffentlicht zu haben? Warum?
Nein.
Lesen Sie gerne? Lesen Sie gerne die Art von Büchern, die Sie auch selbst schreiben oder andere Genres?
Ich lese alles, was mich interessiert und ich lese sehr gerne. Man muss offenbleiben, sonst verkrustet man.
Schreiben Sie die Geschichten auf Papier oder tippen Sie alles auf dem Computer?
Nur PC. Die Notizen unterwegs aber mit Kuli ins Notizheft.
Haben Sie früher in Klassenarbeiten (Aufsatz) gute Noten bekommen?
Nein. Ich war ein mittelmäßiger Schüler, weil ich lieber rausgehen wollte, als zu lesen. Mit Benn wurde das anders und ich wurde auch gut in der Schule.
War es Ihr Kindheitstraum Schriftsteller/-in zu werden oder hatten Sie einen anderen Traumjob?
Ich habe mir über Arbeit keine Gedanken gemacht und hatte keinen Traumjob.
Wie ist Ihre Meinung zu künstlicher Intelligenz?
Oh, großes Thema. Sie ist nicht mehr wegzudenken, also muss man lernen, damit umzugehen. Sie birgt extreme Gefahren und es braucht Richtlinien, die festlegen, was machbar sein soll und was nicht. Als Hilfswerkzeug kann sie nützlich sein. Lässt man sie komplett von der Leine, kann sie sich verselbstständigen und es kann in einer Katastrophe enden.